Biopolitik bezeichnet ganz allgemein gefasst alle politischen Handlungsformen und Mechanismen, in denen es um die Regulierung von Lebensprozessen, Körpern und Formen deren Reproduktion geht. Ein aktuelles Beispiel ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 zur Neuregelung von assistierter Sterbehilfe. In den einschlägigen Debatten der Philosophie und politischen Theorie lässt sich in letzter Zeit in Bezug auf normative Fragen im  Kontext von Schwangerschaft, Geburt, Therapie, Krankheit und Tod beobachten, das zunehmend ein bioethisches Paradigma vorherrscht, das auf die handlungswirksame Bewertung von abstrakten Entscheidungsoptionen sowie deren reflexive Analyse abstellt und sich dafür auf moralische Leitprinzipien wie etwa die menschliche Autonomie beruft. Die politische Dimension der Steuerung von menschlichem Leben und dessen biologischen und technologischen Bedingungen gerät dagegen aktuell eher aus dem Fokus, obwohl hier überhaupt erst der praktische und diskursive Rahmen abgesteckt wird, der darüber entscheidet, wie bioethische Fragen gestellt und adressiert werden. Michel Foucault hat für diese spezifisch moderne Form der Regierung und Regulierung von Lebensprozessen und ihre korrigierenden, exkludierenden, normalisierenden, disziplinierenden, therapierenden oder optimierenden Effekte den Terminus der ‚Bio-Macht‘ geprägt und bietet damit eine kritische normative Perspektivierung von Biopolitik, die einer eher affirmativen Haltung der libralen Bioethik in Bezug auf die Bestimmung moralisch gerechtfertigter Handlungsweisen entgegengesetzt ist. Ziel des Seminars ist es, das Verhältnis von Biopolitik und Bioethik aus Perspektive der politischen Theorie zu beleuchten und die Frage nach dem genuin politischen Charakter der biologischen Grundlagen, Grenzsituationen und ethischen Konfliktlagen menschlichen Lebens zu stellen. Dazu werden wir sowohl einschlägige Autor_innen der kontinentalen Tradition wie Agamben, Arendt, Foucault und Habermas lesen als auch Texte aus dem analytischen Debattenkontext heranziehen.