Als E.T.A. Hoffmann am 24. Juni 1822 verstirbt, hinterlässt der schon zu Lebzeiten als Schlüsselfigur der Romantik wahrgenommene Autor, Komponist, Künstler und Jurist ein facettenreiches Werk, das neben zahlreichen Erzähltexten auch Zeichnungen, Rezensionen, musikalische Kompositionen und diverse Briefwechsel umfasst. Die Goethe-Ringvorlesung möchte sich diesem Werk im Wintersemester 2022/23 anlässlich des 200. Todesjahres Hoffmanns und der im Deutschen Romantik-Museum gastierenden Wanderausstellung „Unheimlich Fantastisch. E.T.A. Hoffmann 2022“ aus einer disziplinübergreifenden und die Grenzen der Disziplinen konfrontierenden Perspektive widmen. Denn die Einkehr in den romantischen Kosmos E.T.A. Hoffmanns bedeutet nichts weniger (und gleichzeitig weit mehr) als die Heimkehr zu unheimlichen Gästen, unheimatlichen Geheimnissen und einer lausigen Schönheit, die Haimatochare heißt. Der Besuch in Hoffmanns fantastischen Welten gleicht dabei einer Heimsuchung, die das Überleben und die Weiterverarbeitung hoffmannesker Ästhetiken und Denkfiguren bis in die Gegenwart ebenso vor Augen führt wie Hoffmanns individuelle, historisch situierte Auseinandersetzung mit den Aporien der Aufklärung, den Umbrüchen an der Schwelle zur Moderne sowie dem Zusammenspiel der Künste und der Wissenschaften. Die in den Vorlesungen angebahnte (Wieder-)Begegnung mit Hoffmann, seinen Doppelgängern und multiplen Grenzgängen/gänger:innen ist dabei auch als eine produktive Herausforderung der Disziplinen zu verstehen, die sich mit Hoffmann beschäftigen. Weil sein Werk die Grenzen von Kunst, Literatur, Musik und Juristik traversiert, werden auch die Grenzlinien der jeweiligen Disziplinbereiche von Hoffmanns Virtuosität heimgesucht und auf den Prüfstand gestellt. Die Ringvorlesung spürt diesen Dimensionen der hoffmannesken Heimsuchungen nach und fragt dabei nicht nur, wie Hoffmanns Werk die Geschichte der Künste beeinflusst hat und auch weiterhin ästhetisch, motivisch usw. heimsucht, sondern auch, wie Hoffmanns Werk die Grenzen der Disziplinen selbst befragt und zu Grenzüberschreitungen auffordert.