Als Peter Szondi 1965 in Berlin das Seminar für Allgemeine und Vergleichende Wissenschaft gründete, berief er sich auf eine „systematische, auf das Ganze der Literatur zielende theoretische Bemühung“, die dem Fach über das Moment des Vergleichenden hinaus erst eine tragfähige Grundlage geben sollte. Mehr als fünfzig Jahre danach hat sich die Perspektive der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft verändert: der Status der Theorie, und damit das Verständnis des „Allgemeinen, „Universellen“, „Ganzen“, ist ein anderer geworden. Alte wie neue Begrifflichkeiten erfahren eine Konjunktur, so der Begriff der „Weltliteratur“ als Erweiterung des „Ganzen“ um Minoritäres, lange Zeit Nicht-Beachtetes, oder der des „Anthropozän“, der versucht, die Erde gerade in Zeiten umweltbedingter Bedrohung wieder als „Ganzes“ in den Blick zu nehmen. Die Ringvorlesung, die das Frankfurter Institut wie Gäste einbezieht, fragt vor diesem Hintergrund nach den Veränderungen, die das Fach erfahren hat, nach dem, was das „Ganze der Literatur“ heute noch heißen kann, aber ebenso nach dem, was um das Ganze herum oder von ihm wegführt.