Der guote Gêrhart Rudolfs von Ems ist eine Ausnahmeerscheinung in der Literatur des 13. Jahrhunderts: Als autodiegetische Erzählinstanz erzählt Gerhart seine bewegte Lebensgeschichte selbst. Er ist weder Ritter, Heros noch Heiliger, sondern ein Kaufmann aus Köln, der durch einen Tauschhandel in Marokko Christen befreit. Unter den Gefangenen ist die norwegische Prinzessin Erene, die – zunächst Gerharts eigenem Sohn versprochen – zu ihrem totgeglaubten Bräutigam Willehalm zurückfindet. Gerhart sagt die Hochzeit seines Sohnes ab und wird so für Kaiser Otto zum Vorbild demütigen Verhaltens. Im Zentrum des Seminars steht die intensive Lektüre des mittelhochdeutschen Textes. Wir werden uns mit dem nicht immer kohärenten Verhalten Gerharts beschäftigen, dem Verhältnis von Binnen- und Rahmengeschichte nachgehen, Erzählschemata (Brautwerbung und Doppelweg) thematisieren und uns mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen.

Bitte besorgen Sie sich vor Semesterbeginn die folgende Reclam-Ausgabe: Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hg., übers., komm. und mit einem Nachwort versehen von Norbert Kössinger und Katharina Philipowski. Stuttgart 2022 (RUB 19589).