Weltherrscher, Musterkönig, Geißel Gottes; Exempel für schädlichen Hochmut, für Neugierde und Maßlosigkeit: Wie kaum eine andere Figur hat der Makedonenkönig Alexander der Große mittelalterliche (sowie freilich bereits antike) Dichter immer wieder zu – mitunter widersprüchlich mehrdimensionalen – literarischen Inszenierungen gereizt. Neben der Verankerung des Stoffes im Makkabäerbuch und der Einbindung in die Heilsgeschichte über die Vier-Reiche-Lehre mag die hohe Frequenz der Bearbeitung einerseits am ergiebigen Potenzial Alexanders als Exempelfigur für die Fürstenerziehung liegen; andererseits rührt sie aber sicher auch von der Reichhaltigkeit der wiederzuerzählenden Materie mit ihren ikonischen Szenen wie der Zähmung des widerspenstigen Bukephalos, der Tauchfahrt, dem Greifenflug oder der vergeblichen Erstürmung des Paradieses. Konstitutiv sind überdies Alexanders Erziehung durch den Fürsten der Philosophie, Aristoteles, die mitunter tragisch gestaltete Kürze seines Lebens sowie Kontakte mit Wundervölkern des ‚Orients‘.