Es ist kein Geheimnis: Traditionelle Literaturgeschichtsschreibung beruht auf kulturhistorischen Ausschlussprozessen, die in der Regel männliche und privilegierte Autoren (nicht selten mit einem gewissen Hang zu ausgestellter ‚Genialität‘) bevorzugen. Während die konkrete Auswahl der Texte und die Prozesse einer Kanonbildung schon seit Jahrzehnten kritisch reflektiert werden, kann erst allmählich beobachtet werden, dass die Werke von Frauen in angemessenem Umfang Berücksichtigung finden. Daran knüpfen sich theoretische Fragen von hoher Tragweite: Können etablierte Kategorien der Literaturgeschichtsschreibung überhaupt aufrechterhalten werden, wenn Textstrategien von Autorinnen Beachtung finden? Und welche Geschichte erzählt die deutschsprachige Literatur eigentlich, wenn man ihre Modellierungen von Weiblichkeit, z.B. im barocken Drama, im Roman der Weimarer Klassik oder in der expressionistischen Lyrik, genauer in den Blick rückt?

Die Ringvorlesung möchte in die deutschsprachige Literaturgeschichte einführen und dabei einen besonderen Akzent auf ihre Autorinnen und/oder auf epochemachende Inszenierungen weiblicher Figuren legen. Auf diese Weise kann zum einen der aktuelle Stand literaturgeschichtlicher Debatten vorgestellt werden; zum anderen führen exemplarische Textanalysen vor, inwiefern ein Fokus auf das Schreiben von und über Frauen neue Einsichten in altbekannte (oder auch neu entdeckte) Text- und Wissensbestände ermöglicht.