Übersetzen und Eros werden seit Platons Symposion enggeführt. Bei Platon ist der Eros in der von Sokrates übermittelten – übersetzten – Rede der Diotima ein Wesen des Begehrens, dessen „Verrichtung“ es ist, „zu verdolmetschen und zu überbringen“. Erotische Metaphern prägen daher den übersetzungstheoretischen Diskurs bis heute: Die geläufige Metapher von der ‚Treue‘ der Übersetzung etwa ist weit verbreitet; auch die seit dem 17. Jahrhundert fortlebende Formel von der belle infidèle sexualisiert die Übersetzung. Wilhelm von Humboldt, Walter Benjamin oder Gershom Scholem sprechen Übersetzern bzw. der Übersetzung zu, „liebend“ zu sein. Bei Freud verschlingen sich (Fehl-)Übersetzung und Eros in der berühmten Käfer/que faire-Episode. George Steiner, aber auch Werner Hamacher oder Jacques Derrida verwenden teils brachiale, teils zärtliche erotische Redeweisen in Bezug auf das Übersetzen. Feministische Untersuchungen hinterfragen solche Phantasmen radikal und setzen andere Praktiken an deren Stelle.  

Das Seminar umreißt das Verhältnis zwischen Übersetzung und Eros von Platon bis in die Gegenwart. Dabei werden Texte aus der Philosophie, Theologie, Psychoanalyse, Rhetorik, Ästhetik und Hermeneutik, aber auch literarische Texte behandelt. An punktuellen Stationen in diesem großen Panorama soll gefragt werden: Was genau stiftet den Zusammenhang zwischen Übersetzung und Eros? Ist er metaphorisch oder nicht? Wie manifestiert sich die erotische Sehnsucht nach einer/einem ‚Anderen‘ auch textpraktisch? Kurzum, welche erotische Macht ist im Übersetzen am Werk? Und welchen Einfluss hat sie auf unsere Lektüre?