Wie jede Großstadt ist Lissabon Ruine und Baustelle zugleich. Das betrifft nicht nur die urbane Landschaft, sondern auch die Diskurse, die ihr Bedeutung geben, sich in ihr einschreiben und sie überformen – in Bildern, Texten und Filmen. José Cardoso Pires’ Texte, insbesondere Lisboa. Livro de Bordo (1997), sowie A Cidade de Ulisses (2011) von Teolinda Gersão geben den Einstieg in den mythisch-historisch-künstlerischen Aufbau der ‘weißen Stadt’ als einzigartige im Dialog mit Filmklassikern wie Alain Tanners Dans la ville blanche (1983) und Wim Wenders Lisbon Story (1994).

Danach in historischer Sequenz: Irene Lisboas Esta cidade! (1942) gibt Alltagsbilder im Schatten von Salazars Estado Novo-Metropole. Alves Redols O cavalo espantado (1960) zeigt Lissabon als letzten ‘Kai von Europa’ für die Flüchtlinge, die den Tentakeln des NS-Reich entrinnen. An denselben Kai gelangen die sogenannten retornados nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreichs, ebenso Emigranten aus Cabo Verde, Angola, Mozambik... All dies bedeutet andere Konstruktionen: eine radikal entmythisierende, etwa in As Naus (1988) von António Lobo Antunes, einer ‘schwarzen Stadt’ (hierzu José Eduardo Agualusa & Fernando Semedo in Lisboa africana, 1993), sei es im Zentrum oder im suburbanen Raum – hierzu Leonel Vieiras Film Zona J (1998) und Luanda, Lisboa, Paraíso (2018) von Djaimilia Pereira de Almeida. Schließlich Lissabon als Ort brasilianischer Emigration in Terra Estrangeira (1996; Walter Salles & Daniela Thomas), sowie Luiz Ruffatos Estive em Lisboa e lembrei de você (2009) mit der Verfilmung durch José Barahona (2015).