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Die Chinesischen Dichtungen umfassen in der ursprünglichen im Klaus Boer Verlag erschienenen und von Hanni Mittelmann herausgegeben Werkausgabe von Albert Ehrenstein zwei Bände von insgesamt etwa tausend Seiten. Es handelt sich hierbei zum einen um kürzere in Verse gefasste und längere erzählende Gedichte aus dem alten und klassischen China. Als Vorlage dienten Ehrenstein hierfür teils die Übertragungen von Friedrich Rückert, Hans Bethge und Klabund, die ihrerseits die Texte nicht im Original sondern Übersetzungen ins Lateinische oder Deutsche lasen, teils die Interlinearversionen der Sinologen Erwin von Zach, einem Zeitgenossen und Landsmann Ehrensteins, und Arthur Waley. Zum anderen handelt es sich um Prosatexte, wie etwa Briefe, mehrere Erzählungen aus Pu Songlings Seltsame Geschichten (17. Jhd.) sowie eine Kurzfassung und ein Hörspiel des klassischen Romans Die Räuber vom Liang Schan Moor (14. Jhd.). 

 Ehrenstein sah Parallelen zwischen Europa und dem von Krieg und Zerstörung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit, Armut und Elend heimgesuchten fernen China, in das er Anfang der 1920er Jahre auch reiste. Er empfindet, liebt, klagt oder schreit mit dessen Dichtern, von denen viele – wie er als Jude im Nazideutschland – im Exil lebten. Er macht Schluss mit den Chinoiserien und dem Reimgeklingel des 19. Jahrhunderts und eignetdie chinesischen Texte dem Deutschen in einer Sprache an, die ebenso nüchtern wie ausdrucksstark ist. 

Wir wollen im Seminar ausgewählte (lyrische) Texte aus den Chinesischen Dichtungen dieses wichtigen Vertreters des literarischen Expressionismus lesen und sie sowohl mit den chinesischen Originalen als auch mit den späteren Nachdichtungen, Übertragungen, Interlinearversionen oder Aneignungen vergleichen. Zugleich soll sich dabei der Begriff dieser unterschiedlichen Formen des Übersetzens schärfen. Darüber hinaus werden wir uns fragen, wie zeitlos oder zeitgemäß diese Texte sind, und ob und wie man sie für die heutige Leserschaft durch einen Kommentar oder eine andere Form der Intervention in die Gegenwart begleitet. Für die Studierenden gibt es hier die Möglichkeit (aber keinen Zwang), in unterschiedlicher Weise aktiv mitzuwirken und gegebenenfalls auch selbst einen Beitrag zu einer Publikation (die unter meiner Herausgeberschaft entsteht) zu leisten, etwa in Form eines Kommentars, einer Fortschreibung oder eigenen Adaptation eines Gedichts oder anderen Textes. 

 Chinesisch-Kenntnisse sind für die Teilnahme an diesem Seminar nicht erforderlich!


Albert Ehrenstein
Albert Ehrenstein